Im Endspurt legt sich das maue Filmjahr dann doch nochmal ins Zeug. Too little too late?
2016 hat sich als ganz besonders unerfreuliches Jahr herausgestellt, sowohl was weltpolitische Entwicklungen als auch was den oft unerwarteten Tod unzähliger Künstler angeht.
Und auch wer im Kino Zuflucht vor dem bedrückenden Alltag suchen wollte, hatte wenig Glück. Nach der beeindruckenden Flut von Qualitätsfilmen, die das Jahr 2015 in die Kinosäle geschwemmt hat, war 2016 cineastisch eher eine Enttäuschung, über die nicht einmal der Netflix-Hit Stranger Things hinwegtrösten konnte. Immerhin verirren sich in den letzten Monaten dieses schrecklichen Jahres dann doch noch ein paar Highlights auf die Leinwände; unter anderem Winding Refns satirischer Horror The Neon Demon, das Stop Motion-Epos Kubo und der wunderschöne neue Disney-Film Vaiana (der, wie bei Disney üblich, in der Vorweihnachtszeit ins Kino kommt).
Schon letzte Woche angelaufen sind Jim Jarmuschs Paterson und das Harry Potter Spinoff/Prequel mit dem erstaunlich sperrigen Titel Phantastische Tierwesen und Wo Sie Zu Finden Sind. Diese Woche startet außerdem Arrival, der neue Film des Kanadiers Denis Villeneuve (Prisoners).
Jim Jarmusch schickt Girls-Star und Star Wars-Bösewicht Adam Driver als Busfahrer durch die Kleinstadt, die den gleichen Namen trägt wie er: Paterson. Dabei verflechtet er den Rhythmus von Patersons minimal variiertem Tagesabläufen mit den Gedichten, die er tagtäglich in sein Notizbuch schreibt. Eine mal lakonischer, warmherziger und lyrischer Film mit zwei gleichermaßen charmanten Hauptdarstellern – Driver und Golshifteh Farahani.
Charmant sind immerhin auch Teile des neuen Potterverse-Epos Fantastische Tierwesen, allerdings manchmal versteckt zwischen ausgedehnten Actionszenen und einer Handlung, die lange auf der Stelle tritt. Dem Abenteuer von Zoologe Newt Scamander (Eddie Redmayne) fehlt letztendlich der unermüdliche narrative Antrieb der Harry Potter-Saga. Daführ stehlen Dan Fogler als „Muggle“ Kowalski – oder „No-Mag“, wie man in Amerika sagt – und Alison Sudol als verträumte Queenie die Show. Trotz einiger selbstverliebter Momente, in denen Fantastische Tierwesen etwas zu angestrengt mit opulenten Kamerafahrten und teuren Computereffekten begeistern will, ist die Regie von David Yates (Harry Potter 5-8) gewohnt routiniert, und langfristig angelegte Handlungselemente machen Hoffnung auf einen runderen zweiten Teil.
Uneingeschränkt herausragend ist dagegen Denis Villeneuves Arrival, ein perfekt konstruiertes Drama, in dem eine Reihe von Raumschiffen plötzlich in der Erdatmosphäre auftauchen. Ähnlich wie zuletzt Christopher Nolans Interstellar nutzt der Film das Science-Fiction-Genre, um große Fragen zu erörtern, an denen sich die Kunst gerne mal die Zähne ausbeißt. Arrival ist ein meditatives, oft ambivalentes Puzzle, dessen Lösung nicht als Aha-Moment mit Paukenschlag kommt, sondern filigran in die Struktur des Films eingewoben ist. Villeneuve, der derzeit an der Fortsetzung zu Ridley Scotts Blade Runner arbeitet, hat bisher noch keinen schlechten Film gedreht (über Enemy mag man streiten), und Arrival ist nicht nur der bisherige Höhepunkt seines Schaffens, sondern auch der beste Science-Fiction-Film der letzten Zeit und verdient es, in einem Atemzug mit Kubricks 2001 und – ja – mit Blade Runner genannt zu werden.
Paterson: **** 1/2
Fantastische Tierwesen: ***
Arrival: *****